Immer mehr Spitäler und Gesundheitseinrichtungen lassen sich FTGS-zertifizieren. Die Zertifizierung ist ein wichtiger Schritt in der Präventionsarbeit und zeigt das persönliche Commitment eines Unternehmens in der Gesundheitsbranche, sich aktiv für die Patientinnen und Patienten einzusetzen, rauchfrei zu werden. Im Interview berichtet unsere Präsidentin, Susann Koalick, was es braucht, um Bronze zu erreichen und weshalb die neue FTGS-Signaletik sinnvoll ist.
Susann Koalick, immer mehr Gesundheitsinstitutionen lassen sich FTGS-zertifizieren – was sind die Benefits einer Zertifizierung?
Das stimmt, mit Freude stellen wir fest, dass sich immer mehr Gesundheitsinstitutionen für unsere Zertifizierungen interessieren und – meist nach einem vertieften Vorgespräch – dafür entscheiden, sich FTGS-zertifizieren zu lassen. Mit einer FTGS-Zertifizierung investieren die Unternehmen in ihre Zukunft: Sie zeigen nach aussen ihr Commitment, sich dafür einzusetzen, dass ihre Patientinnen und Patienten rauchfrei werden. Das ist auch ein sehr wertvolles Statement an Krankenkassen, Krankenversicherungen und Zuweiser/ Überweisende – und erhöht beispielsweise das Level bei anderen Zertifizierungen in der Qualitätssicherung.
Darüber hinaus werden diese Unternehmen für (potenzielle) Mitarbeitende attraktiver, indem sie intern – beispielweise im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements – gezielt Programme für ihre Mitarbeitenden anbieten, mit dem Rauchen aufzuhören und rauchfrei zu bleiben. Unter Fachpersonen ist das FTGS-Zertifikat sehr angesehen und die zertifizierten Unternehmen bilden untereinander ein gutes und starkes Netzwerk.
Wie sieht es in der Realität aus, wenn eine Patientin oder ein Patient mit Folgeerkrankungen in ein Spital kommt, das keine Massnahmen zur Tabakprävention ergriffen hat?
In der Regel bedeutet dies viele verlorene Wochen – hier ein Beispiel: Ein Patient, der bei mir in der Nikotinberatung war, wollte sich in einem Akutspital das Knie operieren lassen. Er hatte Schmerzen und wollte die Operation zügig durchführen lassen. Er trat ins Akutspital ein und erfuhr dort, dass er aufgrund seines hohen Tabakkonsums nicht operiert werden könne; zu hoch seien die Risiken für die bereits in Mitleidenschaft gezogenen Organe Herz und Lunge, und zu schwierig würde die Wundheilung werden. Man schickte ihn in die FTGS-zertifizierte Rehaklinik Barmelweid, in der er fit gemacht wurde für die OP und mit Hilfe der Nikotinberatung bei mir rauchfrei wurde. Erst nach diesem Prozess konnte sein Knie operiert werden. Der Patient musste also wochenlang mit Schmerzen auf die OP warten, weil die involvierten Stellen (Hausarzt, Akutspital) im Bereich der Tabakentwöhnung nicht geschult waren. Diese langen und schmerzvollen Wege wollen wir mit der Zertifizierung immer mehr vermeiden. Je mehr Institutionen sich auf diesem Gebiet weiterbilden, committen und zertifizieren lassen, desto mehr Patientinnen und Patienten profitieren von einem reibungslosen Ablauf ihres «Patient Journeys».
Sich zertifizieren zu lassen heisst, Geld, Zeit und je nachdem auch in die Umgestaltung der Infrastruktur zu investieren. Schreckt der Aufwand eventuell Institutionen ab?
Jein. Ich denke, viele Gesundheitsinstitutionen haben zu grossen Respekt vor dem Aufwand einer Zertifizierung.
Der Aufwand für die Zertifizierung wird oft überschätzt. Die Bronze-Zertifizierung kann bereits mit relativ geringem Aufwand erreicht werden. Die FTGS-Zertifikate sind die einzigen dieser Art in der Schweiz und werden nach internationalen Standards vergeben. Tatsächlich ist es sehr einfach, die Bronze-Zertifizierung zu erreichen – sie schliesst nur 2 Standards ein, die erfüllt werden müssen, und von denen die meisten Institutionen bereits Teile erfüllen. Der Aufwand ist in den meisten Fällen also eher gering. Was man auch nicht vergessen darf, ist die Tatsache, dass das FTGS-Zertifikat das Einzige ist, das es in der Schweiz in diesem Bereich gibt – man muss sich also nicht zwischen mehreren Anbietern entscheiden und wer FTGS-zertifiziert ist, besitzt ein nach internationalen Standards erstelltes Zertifikat, denn wir arbeiten nach den Richtlinien des Global Network for Tobacco free Healthcare Services (GNTH).
Was braucht es denn konkret für Bronze?
Für Bronze braucht es die erfüllten FTGS-Standards «Führung und Engagement» und «Kommunikation». Das bedeutet einerseits, dass die Gesundheitsinstitution über ein eindeutiges und starkes Engagement der Führung zur systematischen Implementierung einer Tabakfrei-Politik verfügt und andererseits eine umfassende Kommunikationsstrategie verfolgt, welche die Wahrnehmung und Implementierung der Tabakfrei-Strategie und der Tabakentwöhnungsangebote fördert. Die grundsätzliche Frage, die bejaht werden muss, ist hier also «Sagen Sie ja zu einer rauchfreien Institution?».
Welche Unterpunkte diese beiden Standards genau einschliessen, können interessierte Institutionen in unserer Online-Selbsteinschätzung nachschauen uns sich auch direkt selbst einschätzen. Für Bronze braucht es insgesamt 27 FTGS-Punkte. Dies ist nicht viel, bringt dem Unternehmen aber bereits eine erste – sehr wichtige – Urkunde. Für Silber braucht es dann schon etwas mehr, dort sind dann 108 Punkte verlangt. Natürlich unterstützen wir alle Institutionen aber darin, die nächste Zertifizierung zu erreichen, niemand muss den Weg alleine gehen.
Das Gute an unserem Standardkonzept ist, dass es gleichzeitig auch als Arbeitsinstrument verwendet werden kann, es ist also direkt brauchbar im täglichen (Klinik-) Alltag. Niemand muss bei null anfangen und sich alles selbst aus den Fingern saugen.
Insbesondere Spitälern kommt eine wichtige Rolle zu, wenn es um den Auf- und Ausbau eines Tabakentwöhnungsprogramms geht, weshalb das?
Das stimmt. Dabei geht es in erster Linie um den «Teachable Moment». In diesem Moment sind Patientinnen und Patienten besonders empfänglich dafür, mit dem Rauchen aufzuhören. Mit Abstand am häufigsten tritt der «Teachable Moment» in einem Akutspital oder in einer Rehaklinik auf, wenn die Betroffenen merken, dass sie – aufgrund des Rauchens – eine Folgeerkrankung haben und ernsthaft krank sind. Erst dann macht es bei den meisten «klick» und sie merken, wie ihnen ihr Leben wichtig ist und sie noch nicht sterben wollen. Dort können Akutspitäler und Rehakliniken ansetzen und beispielsweise mit der Nikotinberatung dafür sorgen, dass die Patientinnen und Patienten weniger – oder gar nicht mehr – rauchen. Es ist wichtig, dann nicht aus Scham wegzuschauen, sondern das Problem in Angriff zu nehmen und den Betroffenen ein professionelles Angebot zu bieten.
Gibt es Gesundheitsinstitutionen in der Schweiz, die Sie besonders beeindruckt haben auf ihrem Weg zur rauchfreien Institution?
Oh ja, da gibt es einige. Da gibt es beispielsweise die Solothurner Spitäler, die innert kürzester Zeit schon Silber geschafft haben. Oder dann die Forel-Klinik mit der Silber-Re-Zertifizierung, das Universitätsspital Zürich mit Bronze oder die Langzeitpflegeeinnrichtung LINDENFELD im Aargau mit Silber, die beeindruckende Fortschritte und Umsetzungen gemeistert haben – beispielweise auch mit der FTGS-Signaletik. Oder dann die Rehaklinik Barmelweid und das Kantonsspital Graubünden, die bereits den Goldstandard erreicht haben, das ist natürlich eine wunderbare Sache.
Sie haben die FTGS-Signaletik angesprochen – um was geht es da genau?
Die neuen FTGS-Signete zeigen einerseits auf, wo Rauchrinnen und Raucher rauchen dürfen, andererseits all diejenigen Bereiche einer Institution, die rauchfrei sind. Wichtig dabei ist, dass auf den Signeten keine durchgestrichene Zigarette zu sehen ist, denn die Forschung zeigt, dass eben diese durchgestrichene Zigarette Raucherinnen und Raucher zusätzlich triggert. Unsere Signete funktionieren nach dem Motto «Hinweise statt Verbote», um eben dieses Triggern zu umgehen. Wer sich für die FTGS-Signete entscheidet, hat grossen Gestaltungsspielraum: So können die Signete in verschiedenen Sprachen angepasst werden und in denjenigen Farben umgesetzt werden, welche die Institution wünscht. Eingesetzt werden können die Signete dann beispielsweise als Kleber, als Bodenmarkierung oder als klassische Metallschilder. Auch hier gilt: Wir beraten interessierte Institutionen gerne, machen Gelände-Begehungen und geben Tipps und Tricks, wie es mit der Umsetzung am besten klappt.
Vielen Dank, Susann Koalick, für dieses spannende Interview!